Viele pflegende Angehörige stehen plötzlich vor der gleichen Frage: „Wie oft darf ich den Sonderurlaub eigentlich nehmen? Nur einmal im Jahr?“
Im Internet herrscht große Verwirrung – und leider finden sich viele veraltete oder ungenaue Informationen. Dieser Beitrag klärt auf und zeigt, was das Gesetz wirklich vorsieht, was häufig missverstanden wird und wie pflegende Angehörige ihren Anspruch korrekt nutzen.
Was ist der Sonderurlaub für pflegende Angehörige?
Der sogenannte Sonderurlaub ist im Pflegezeitgesetz (PflegeZG) verankert. Er ermöglicht Beschäftigten eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Arbeitstagen, um in einer akuten Pflegesituation:
- eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder
- die pflegerische Versorgung sicherzustellen.
Der Gesetzestext ist dabei eindeutig formuliert:
„Beschäftigte haben das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben […]“
Dieser Anspruch gilt für alle Arbeitnehmer – unabhängig von der Größe des Betriebs.
Der häufige Irrtum: „Der Anspruch besteht nur einmal im Jahr“Wer kann die Nachbarschaftshilfe nutzen?
In vielen Ratgebern und Online-Artikeln findet sich die Aussage, dass der Sonderurlaub für pflegende Angehörige nur einmal pro Jahr in Anspruch genommen werden könne. Diese Behauptung hält sich hartnäckig – ist jedoch sachlich falsch, wenn man den Gesetzestext des Pflegezeitgesetzes genauer betrachtet. Das PflegeZG selbst enthält keinerlei Formulierung, die den Anspruch zeitlich auf ein Kalenderjahr oder sogar nur auf einen einzigen Anlass begrenzen würde. Dort ist ausschließlich festgelegt, dass Beschäftigte bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernbleiben dürfen, wenn eine akute Pflegesituation eintritt und die Organisation oder Sicherstellung der Pflege erforderlich wird.
Entscheidend ist also nicht das Kalenderjahr, sondern die tatsächliche Situation. Tritt eine erneute, unerwartete akute Pflegesituation ein, kann der Anspruch erneut bestehen – selbst dann, wenn es sich um dieselbe pflegebedürftige Person handelt. Dass häufig dennoch von einer jährlichen Begrenzung die Rede ist, liegt an einem anderen Regelungsbereich: dem Pflegeunterstützungsgeld. Diese Lohnersatzleistung wird tatsächlich nur für maximal zehn Tage pro Kalenderjahr und pro pflegebedürftiger Person gezahlt. Viele Informationen im Internet vermischen jedoch Freistellung und Lohnersatz miteinander, was zu dem verbreiteten Missverständnis führt. In der gesetzlichen Realität sind diese beiden Dinge jedoch klar getrennt – und nur das Pflegeunterstützungsgeld ist jährlich limitiert, nicht der Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung selbst.
Wie oft darf der Sonderurlaub genommen werden?
Der Anspruch auf kurzzeitige Arbeitsverhinderung gilt pro akuter Pflegesituation – nicht pro Jahr; eine akute Pflegesituation liegt nach Gesetz und den Vorgaben des Ministeriums immer dann vor, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind:
- plötzlich eingetreten
- unerwartet
- unmittelbarer Handlungsbedarf zur Organisation der Pflege
Das BMFSFJ beschreibt dies so:
Eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung ist möglich, wenn sie „in einer akuten Pflegesituation“ nötig ist.
Das heißt:
- Wenn eine reale, neue akute Pflegesituation eintritt, darf der Anspruch erneut genutzt werden.
- Das ist auch bei derselben Person rechtlich möglich.
Aber wichtig:
Mehrere akute Pflegesituationen im Jahr sind medizinisch möglich – aber selten.
Es muss jedes Mal ein neuer, unerwarteter Notfall sein, z. B.:
März: Sturz → Pflege organisieren
August: Schlaganfall → Pflege neu organisieren
November: Entlassung aus Reha → Versorgungssituation bricht zusammen
Nur wenn das medizinisch nachvollziehbar ist, darf der Anspruch erneut genutzt werden.
Warum viele Stellen trotzdem „nur einmal pro Jahr“
schreiben
Das liegt an der Lohnersatzleistung, dem Pflegeunterstützungsgeld. Das Pflegeunterstützungsgeld ist begrenzt – die Freistellung nicht. Da der Arbeitgeber während der Freistellung nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, übernimmt die Pflegekasse mit dem Pflegeunterstützungsgeld bis zu 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts, in bestimmten Fällen sogar 100 Prozent. Diese Leistung steht allerdings nur für zehn Tage pro Kalenderjahr und pro pflegebedürftiger Person zur Verfügung.
Die BMFSFJ-Unterlage sagt:
„Sie können das Pflegeunterstützungsgeld je pflegebedürftiger Person kalenderjährlich für zehn Arbeitstage beziehen.“
Das heißt:
| Anspruch | Gesetzliche Regelung |
Begrenzung |
| Freistellung (Sonderurlaub) | PflegeZG § 2 | pro akuter Pflegesituation |
| Pflegeunterstützungsgeld | SGB XI |
max. 10 Tage pro Kalenderjahr und pro pflegebedürftiger Person |
Viele Online-Artikel vermischen diese beiden Dinge – und daraus entsteht die Fehlannahme, der Sonderurlaub sei auf ein Mal pro Jahr beschränkt. Beim zweiten Auftreten einer akuten Pflegesituation im selben Kalenderjahr zahlt die Pflegekasse kein Pflegeunterstützungsgeld mehr, der Arbeitgeber leistet nur dann eine Entgeltfortzahlung, wenn dies tariflich oder betrieblich vereinbart ist, und liegt eine solche Regelung nicht vor, bleibt nur die unbezahlte Freistellung.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Für den Sonderurlaub nach § 2 PflegeZG gilt:
- Akute Pflegesituation – Plötzlich, unerwartet, sofortiger organisatorischer Handlungsbedarf
- Nahe Angehörige – Das Gesetz definiert klar, wer als „naher Angehöriger“ gilt (Großeltern, Eltern, Kinder, Stiefverwandte, Partner etc.)
- Ärztliche Bescheinigung – Der Arbeitgeber darf sie verlangen und sie muss die Pflegebedürftigkeit sowie die akute Situation bestätigen
- Arbeitgeber sofort informieren – am besten unverzüglich, eine Frist gibt es nicht
Fazit: Was sollte jede pflegende Person wissen?
Zusammengefasst ist der Sonderurlaub für pflegende Angehörige nicht auf einmal pro Jahr begrenzt, sondern gilt immer dann, wenn eine neue und unerwartete akute Pflegesituation eintritt – auch mehrfach im Jahr und sogar bei derselben Person, sofern die Akutsituation tatsächlich neu ist. Lediglich das Pflegeunterstützungsgeld ist auf maximal zehn Tage pro Kalenderjahr und pro pflegebedürftige Person beschränkt, was häufig zu Verwirrung führt, weil viele Quellen Freistellung und Lohnersatz vermischen. Diese Klarstellung basiert auf dem offiziellen Gesetzestext des Pflegezeitgesetzes (PflegeZG), den Unterlagen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) sowie den ergänzenden Informationen aus den bereitgestellten PDFs und der aktuellen gesetzlichen Praxis.
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